Es ist gar nicht so lange her, da lief Aus- und Eingang der Tagespost ausschließlich über die Schreibtische der Bereichsleiter oder Amtschefs. Und Emails wurden von den Sekretärinnen ausgedruckt und den Vorgesetzen vorlegt. Mit der Technisierung und Digitalisierung und der zunehmenden Mobilität in der Kommunikation hat sich auch die Organisation in den Behörden grundlegend geändert. Und damit auch das Verständnis von Führung.
Moderne Führung in Zeiten der Digitalisierung und Unsicherheit heißt „vor allem Orientierung geben und Ziele vermitteln“. Der langjährige Generalsekretär der Führungsakademie Baden-Württemberg, Thomas E. Berg ist davon überzeugt, „nur wer als Führungskraft selbst brennt, kann andere entzünden.“
Organisationen müssen neu denken lernen, vieles umkrempeln und sich anders organisieren. Wenn in krisenhaften Zeiten zudem immer weniger Blaupausen mit Handlungsanweisungen in den Schubladen liegen, spielt lageorientiertes Handeln und damit auch der Mut und die Kompetenz, zeitnah zu reagieren und Entscheidungen zu treffen, eine immer größere Rolle.
Führungskräfte stehen in diesen Zeiten der Veränderung also vor ganz neuen Herausforderungen. Denn gerade auch in der Verwaltung stellen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andere Ansprüche an ihren Arbeitsplatz und ihre Aufgaben. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie spielt eine zentrale Rolle. Immer stärker müssen Führungskräfte darum integrierend wirken und unterschiedliche Lebens- und Arbeitsperspektiven unter einen Hut bringen. Digitalisierung darf darum nicht auf Technik allein reduziert werden, sondern bedeutet „kulturelle Veränderung in den Behörden“, so Dr. Christine Dörner, Expertin für Organisationsentwicklung an der Führungsakademie. „Kultur und Haltungsfragen, Wertschätzung der Beschäftigten, Wissensmanagement und der Austausch von Erfahrungen etwa beim vernetzten Arbeiten im Team sind durch die Digitalisierung viel stärker im Fokus. Und das ist gut so“, bekräftigt Dörner.
Wenn Ministerialdirektor Dr. Wolf-Dietrich Hammann an frühere Jahre zurück denkt, dann fallen ihm vor allem offene Türen ein. „ Da saßen die Mitarbeiter in ihren Büros vor ihren Computern und haben viel zu wenig miteinander kommuniziert. Und wenn, dann oft nur per Email“, berichtete der Amtschef im Sozialministerium beim BW Forum Personal und stellte klar: „Der persönliche Austausch bleibt wichtig - gerade in Zeiten der Digitalisierung“.
„Das Neue mit den Augen der anderen sehen“, nennt es Dr. Ralph Bürk. Der Präsident der Führungsakademie wünscht sich, dass sich die Behörden viel stärker für einen Austausch öffnen und voneinander lernen. „Statt statischer Zweierbüros muss auch die Verwaltung in Zukunft ganz neue Wege gehen, sich etwa mit Open Space-Lösungen auszutauschen und agil im Team zusammenzuarbeiten“ ist sich Bürk sicher. Für ihn sind gerade bei der Digitalisierung neue Räume wichtig, um sich auszuprobieren und Ideen und Lösungen für eine komplexere Welt zu entwickeln. „Wir müssen digitale Bolzplätze schaffen, wo unterschiedliche Menschen gemeinsam auch mal ins Unreine denken dürfen. Raus aus den Silos der Zuständigkeiten“. Das bedeute auch, bewusst Querdenken zu fördern und Ressourcen und Budget zur Verfügung zu stellen. „Kreative Ideen sind da, sie müssen nur zugelassen werden. Ihr positiver Schwung kann so die ganze Organisation mitreißen“.
Digitales, vernetztes Arbeiten braucht digitale Kompetenz bei den Mitarbeitern. Und gerade hier kann es schnell zu Frust und Überlastung kommen. Denn der Umgang mit digitaler Technik und Geräten will gelernt werden. „Die Mitarbeiter sind natürlich überfordert mit der Digitalität, wenn wir es als Führungskraft versäumen, sie zu schulen und zur Weiterbildung zu schicken“, stellt Amtsleiter Hammann beim BW Forum klar. Digitalisierung muss also entlasten und nicht belasten. „Hier geht es um lebenslanges Lernen. Das erfordert Zeit und Raum“, so Organisations-Expertin Christine Dörner.
Starre Nine-to-Five Arbeit, fünf Tage Woche oder erzwungene Präsenzzeiten werden zunehmend durch flexible und individuelle Lösungen ersetzt. Gerade agile Organisationen brauchen darum Führungspersönlichkeiten, die über den Tellerrand blicken und offen für permanente Veränderung sind. „Flexibilität wird wichtiger werden, um auf die Herausforderungen zu reagieren“, stellt Akademieleiter Berg klar, verweist aber auch auf die Risiken einer zunehmenden Entgrenzung In bewegten Zeiten komme es vor allem auf die gelebten Werte und die persönliche Haltung an. Sie „wirken wie Leuchttürme in rauer See“, so Prof. J. Menno Harms, Vorsitzender der Initiative zukunftsfähige Führung (IZF).
Studie der IZF zum Thema zukunftsfähige Führung
In einer Befragung der IZF Führung unter Managern und deren Mitarbeitern wird der Umgang mit der Diversität in Zukunft als eine der zentralen Kompetenzen von Führungskräften beurteilt. Nahezu Zweidrittel der befragten Manager aus Wirtschaft und Verwaltung bewerten die Integrationsfähigkeit als zentrale Zukunftskompetenz (62 %). Daneben erwarten junge Führungskräfte neben Kommunikationsfähigkeit, Entscheidungsstärke, fachlichem Wissen und Kritikfähigkeit vor allem mehr Orientierung von ihren Vorgesetzten.
Die Studie steht hier zum Download bereit
23. Führungslehrgang startet am 16. Januar 2017
Der 23. Führungslehrgang der Führungsakademie startet am 16. Januar 2017 unter der Leitung von Matthias Schmitt. Ausgewählt wurden 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung, von den Kirchen und auch aus der Wirtschaft. „Für den Blick über den Tellerrand ist also gesorgt. Vor allem die lageorientierte Führung wird im Mittelpunkt des Lehrganges stehen“, so Schmitt. Auch Projektarbeit im Ausland ist wieder Bestandteil. Geplant ist auch, die Arbeit aktiv mit digitalen Kommunikationsmitteln zu begleiten. Nach 11 Monaten endet der Führungslehrgang am 22. Dezember.
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